Eltern erkundigen sich bei uns oft nach dem sogenannten Wechselmodell im Familienrecht. Beim paritätischen Wechselmodell haben die Eltern exakt gleich lange Betreuungszeiten, also jeder z.B. eine Woche. Die wohl absoluteste Form eines Wechselmodells ist das Nestmodell. Hier sind die Eltern diejenigen die hin- und her reisen, um die Kinder an einem Ort (z.B. das gemeinsame Familieneigenheim) wechselseitig zu betreuen.
Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass unser Recht in verfassungsgemäßer Weise vom sogenannten Residenzmodell ausgeht, d.h. Leitbild ist ein betreuender und ein umgangsberechtigter Elternteil (vgl. BVerfG Nichtannahmebeschluss v. 24.06.2015, 1 BvR 486/14).Das Wechselmodell lässt sich deshalb nach überwiegender Rechtsprechung nicht gegen den Willen eines (mit)sorgeberechtigten Elternteiles durchsetzen (vgl. KG Berlin, Beschluss v. 22.05.2015, 18 UF 133/14; OLG Saarbrücken, Beschluss v. 13.10.2014, 6 UF 93/14).
Wird aber bereits von Eltern erfolgreich ein Wechselmodell praktiziert, so kann es dem Kindeswohl entsprechen, dieses gegen den Willen eines Elternteiles beizubehalten (vgl. AG Duisburg, Beschluss v. 26.02.2015, 41 F 10/15). Die Fortführung des Wechselmodells klappt nur, wenn die Eltern in der Lage sind, ein hohes Maß an Kooperation, Kommunikation und Kompromissbereitschaft an den Tag zu legen (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 22.05.2015, 18 UF 231/14, andere Ansicht z.B.: AG Erfurt, Beschluss v. 01.10.2014, 36 F 1663/13 – auch bei streitigen Eltern).
Familienrecht: Das Wechselmodell ist aus meiner Sicht die Idealform, da Kinder von beiden Eltern gleich viel an Zuwendung und elterlicher Prägung bekommen. Ein funktionierendes Wechselmodell setzt aber voraus, dass beide Elternteile gleichwertige Betreuungsleistungen (Körper- und Kleidungspflege, Schulalltag, Behördengänge, Arztbesuche usw.) im Alltag erbringen können. Auch müssen beide Elternteile in der Lage sein, die sozialen Kontakte und Hobbies der Kinder zu pflegen. Wer nicht mit den Kindern auch mal eine Familienfeier aus dem Lager des anderen Elternteiles besuchen, oder mit dem anderen Elternteil zusammen einen Elternabend durchstehen kann, sollte es lieber beim Residenzmodell belassen. Auch bringt es nichts, wenn stark abweichende Regeln im Alltag aufgestellt werden (z.B. Fernsehen, Handy, Lernen, Essen, Schlafenszeiten). Jedes Wechselmodell kann daran scheitern, dass die Kinder sich später doch für einen Alltagselternteil entscheiden, weil sie z.B. die Hobbies eines Elternteiles in der Freizeit teilen. Mitunter spielt Eifersucht auf neue Partner ein Rolle, warum die Kinder nicht mehr wechseln wollen. Auch ist zu beobachten, dass Kinder „wechselmüde“
werden können und einfach keine Lust mehr haben, ständig die Taschen zu packen.
Es ist jedenfalls gründlich zu überlegen, ob man ein Wechselmodell startet, denn wenn dieses eine Zeitlang funktionierte könnte es sein, dass man vom Gericht dazu verdonnert wird, es fortzuführen. Es kann zudem sehr enttäuschen, wenn die Kinder sich für den anderen Elternteil entscheiden und man loslassen lernen muss.
Das Wechselmodell befreit nicht von der Barunterhaltspflicht, denn die Eltern erbringen ja wechselseitig nur den sogenannten Naturalunterhalt. Nach der Rechtsprechung des BGH ist der Barunterhaltsbedarf aus dem addierten Einkommen der Eltern zu entnehmen. Der Unterhaltsbedarf wird um die Mehrkosten des Wechselmodells erhöht (Fahrkosten, Wohnkosten). Den sich dann ergebenden Barunterhaltsbedarf teilen sich die Eltern nach Einkommensquote. Ist ein Elternteil nicht leistungsfähig, bleibt die ganze Barunterhaltslast beim anderen Elternteil. Dieser kann allerdings die tatsächlich erbrachten Naturalunterhaltsleistungen und ½ Kindergeld in Abzug bringen (vgl. BGH, Beschluss v. 05.11.2014, XII ZB 599/13).
Anja Blume, Fachanwältin für Familienrecht