Privilegierte Gehalts-Pfändung der Unterhaltsvorschusskasse

Pfändungs- und Überweisungsbeschluss wegen Unterhalt nach § 850 d ZPO

Anspruch des Kindes auf Erlösauskehr bei Pfändungen der Unterhaltsvorschusskasse

Erhalten Kinder Unterhaltsvorschuss (kurz UHV), so geht der Anspruch auf Kindesunterhalt in Höhe des geleisteten UHVbetrages per Gesetz auf die UHVkasse über (§ 7 UVG). Existiert ein Unterhalts“titel“ (z.B. gerichtlicher Unterhaltsbeschluss/vergleich, Jugendamtsurkunde) so kann die UHVkasse nach (Teil)umschreibung des Unterhaltstitels ins Gehalt pfänden. Der Zugriff aufs Gehalt geschieht über einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss (kurz PfüB). Zuständig ist das Vollstreckungsgericht, welches für den Wohnort des Unterhaltsschuldners zuständig ist. Das Gericht spricht mit dem PfüB die Pfändung und Überweisung des Gehalts an den Gläubiger gegenüber dem Arbeitgeber (Drittschuldner) aus. Ab Zustellung darf der Arbeitgeber in Höhe des gepfändeten Gehalts nun nicht mehr an den Mitarbeiter zahlen.

Was viele Mandanten nicht wissen: Es gilt nicht die Pfändungstabelle, des § 850 c ZPO, wie für normale Gläubiger, sondern Kinder sind privilegiert. Die Privilegierung des § 850 d ZPO gilt auch zugunsten der UHVkasse (Beschluss BGH v. 17.09.2014, VII ZB 21/13).

§ 850 d ZPO lautet:

(1) Wegen der Unterhaltsansprüche, die kraft Gesetzes einem Verwandten, dem Ehegatten, einem früheren Ehegatten, dem Lebenspartner, einem früheren Lebenspartner oder nach §§ 1615l, 1615n des Bürgerlichen Gesetzbuchs einem Elternteil zustehen, sind das Arbeitseinkommen und die in § 850a Nr. 1, 2 und 4 genannten Bezüge ohne die in § 850c bezeichneten Beschränkungen pfändbar. Dem Schuldner ist jedoch so viel zu belassen, als er für seinen notwendigen Unterhalt und zur Erfüllung seiner laufenden gesetzlichen Unterhaltspflichten gegenüber den dem Gläubiger vorgehenden Berechtigten oder zur gleichmäßigen Befriedigung der dem Gläubiger gleichstehenden Berechtigten bedarf; von den in § 850a Nr. 1, 2 und 4 genannten Bezügen hat ihm mindestens die Hälfte des nach § 850a unpfändbaren Betrages zu verbleiben. Der dem Schuldner hiernach verbleibende Teil seines Arbeitseinkommens darf den Betrag nicht übersteigen, der ihm nach den Vorschriften des § 850c gegenüber nicht bevorrechtigten Gläubigern zu verbleiben hätte. Für die Pfändung wegen der Rückstände, die länger als ein Jahr vor dem Antrag auf Erlass des Pfändungsbeschlusses fällig geworden sind, gelten die Vorschriften dieses Absatzes insoweit nicht, als nach Lage der Verhältnisse nicht anzunehmen ist, dass der Schuldner sich seiner Zahlungspflicht absichtlich entzogen hat.
(2) Mehrere nach Absatz 1 Berechtigte sind mit ihren Ansprüchen in der Reihenfolge nach § 1609 des Bürgerlichen Gesetzbuchs und § 16 des Lebenspartnerschaftsgesetzes zu berücksichtigen, wobei mehrere gleich nahe Berechtigte untereinander den gleichen Rang haben.
(3) Bei der Vollstreckung wegen der in Absatz 1 bezeichneten Ansprüche sowie wegen der aus Anlass einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu zahlenden Renten kann zugleich mit der Pfändung wegen fälliger Ansprüche auch künftig fällig werdendes Arbeitseinkommen wegen der dann jeweils fällig werdenden Ansprüche gepfändet und überwiesen werden.

§ 850 d Abs. 1 ordnet an, dass dem Unterhaltsschuldner so viel zu belassen ist, wie er für seinen „notwendiger Unterhalt“ benötigt. Diesen „Sockelbetrag“ setzt das Vollstreckungsgericht fest. Der „Sockelbetrag“ orientiert sich am Sozialhilfesatz, also am Grundsicherungsbedarf eines Singles zuzüglich angemessener Wohnkosten. Grundlage für den Wohnbedarf sind dieselben Richtlinien wie beim Hartz-IV-Empfänger. Der „Sockelbetrag“ ist wegen der Höhe angemessener Wohnkosten deshalb regional unterschiedlich. Der „Sockelbetrag“ hat also nichts mit dem „notwendige Selbstbehalt“ zu tun, der bei der Berechnung des Kindesunterhalts die Grenze der Leistungsfähigkeit angibt. Der „Sockelbetrag“ ist niedriger als der „notwendige Selbstbehalt“ und die „Pfändungsgrenze“ nach Pfändungstabelle. Das Nettoeinkommen, das über den „Sokelbetrag“ geht, wird auf die unterhaltsberechtigten Personen der jeweiligen Rangstufe zu gleichen Teilen verteilt. Im „PfüB“ heißt es zum Beispiel, dass dem Schuldner vom Gehalt „950,- € zuzüglich ½ des übersteigenden Betrages“ verbleiben müssen. Verdient der Unterhaltsschuldner zum Beispiel 1.200,00 € netto würden ihm 1.075,– € (950 + 125) verbleiben und 125,- € gehen ans pfändende Kind, bzw. die UHV-Kasse.

Der Sockelbetrag kann vom Gericht bis zur Höhe der Pfändungsgrenzen angehoben werden. Um den Sockelbetrag anheben zu lassen, wird angeraten, direkt zum Sachbearbeiter vom Vollstreckungsgericht zu gehen und alle Belege mitzunehmen (Bescheinigung Arbeitgeber für Fahrkosten, Lohnzettel zum Beleg von Auslösen, Mietvertrag, Geburtsurkunden „vergessener“ Kindern, Kontoauszüge zum Beleg von weiteren Unterhaltszahlungen usw.).

Was Rückstände anbetrifft, so wird laut § 850 d ZPO die privilegierte Pfändung auf Unterhaltsansprüche begrenzt, die nicht älter als 1 Jahr sind. In der Regel werden aber alle Rückstände von der UHV-kasse gelistet und meist auch vorrangig gepfändet. Dies liegt an der Beweislast des Unterhaltsschuldners. Er muss schlüssig vortragen und beweisen, dass er sich seiner Zahlungspflicht nicht absichtlich entzogen hat. Bei Normalverdienern, ist die Frage, ob die Rückstände auf 1 Jahr zu begrenzen wäre, auch nicht so entscheidend, so dass man die Pfändung zugunsten des Kindesunterhalts auch laufen lassen kann. Denn es reicht in der laufenden Pfändung meist noch nicht einmal für den monatlichen UHV-Betrag, sonst wäre UHV ja auch wohl kaum für das Kind notwendig gewesen. Wer sich aber hier wegen Pfändung übereinjähriger Unterhaltsschulden zur Wehr setzen möchte, muss „Erinnerung“ gegen den PfüB beim Vollstreckungsgericht einlegen.

Dasselbe Rechtsmittel der „Erinnerung“ steht dem Kind zu. Das Kind verdrängt die UHV-kasse nach § 7 Abs. 3 Satz 2 UVG für alle Unterhaltsansprüche für die kein Unterhaltsvorschuss in Anspruch genommen wurde und alle in die Zukunft gerichteten Unterhaltsforderungen. Wegen § 7 Abs. 3 S. 2 UVG wird das Vollstreckungsgericht seinen PfüB von Amts wegen aufheben, wenn das Kind seinerseits auf zukünftigen Unterhalt vollstreckt. Legt das Kind Erinnerung ein, so ist der PfüB aufzuheben, soweit dadurch der Vorrang beeinträchtigt wird. Das Kind muss aber auch keine Erinnerung einlegen und kann die UHV-Kasse die Arbeit machen lassen. Denn die Vollstreckung der UHV-Kasse darf im Ergebnis nie zu seinem Nachteil führen. Aus § 7 Abs. 3 S. 2 UVG folgt, dass die UHV-Kasse Erlöse an das Kind auskehren muss, die sie unberechtigt einkassierte. Die UHV-Kasse ist insoweit ungerechtfertigt bereichert (§ 812 BGB) – vgl. BGH, Beschluss v. 17.09.2014, VII ZB 21/13.

Anja Blume, Fachanwältin für Familienrecht